Das Schloss ist ab 19. April bis Oktober jeweils sonnabends, sonntags und an Feiertagen von 13 bis 17 Uhr geöffnet.
Im Schatten der größten Ziegelsteinbrücke der Welt befindet sich ein Schmuckstück sächsischer Baukunst.
Fährt man im sächsischen Vogtland durch den kleinen Ort Netzschkau, so hat er auf den ersten Blick nicht viel zu bieten. Die großen Touristenmagnete „Göltzschtalbrücke“ und die Burg im Nachbarort Mylau lassen den Besucher das kleine Schloss Netzschkau leicht übersehen. Hinter hohen Bäumen verborgen, unweit des Marktes, liegt das Schloss direkt neben der Kirche. Außen komplett restauriert, fallen die Schlossmauern durch einen starken farblichen Kontrast von Kalkweiß und kräftigem Rot auf. Die im spätgotischen Stil errichteten Staffelgiebel und Vorhangbogenfenster verleihen dem Schloss eine ganz eigene Note.
Der rechteckige Langbau mit Rundturm und vorgesetztem Viereckturm wirkt außen wie innen repräsentativ. Verzierte Türrahmen aus der Entstehungszeit und erhaltene Umbauten aus späteren Epochen geben dem Besucher einen Einblick in die Geschichte des Schlosses.Die Räume sind größtenteils noch original möbliert. Sie spiegeln ein Stück Leben des sächsischen Adels aus einigen Jahrhunderten wider. Einen 4,10m hoher Kachelofen findet man ebenso wie einen seltenen Wappenschrank. An den Decken kann man die ältesten Formen deutschen Stempelstucks bewundern. Historische Kostbarkeiten wie eine vergoldete Holzkassettendecke und die Besitztümer der letzten Gräfin fallen ebenso ins Auge. Viele ehrenamtliche Helfer ermöglichten es, dass heute das Netzschkauer Schloss mit seiner wechselvollen Geschichte den Besuchern offen steht.
Die Entstehung
Als Kolumbus Amerika entdeckte, baute man in dem Ort Netzschkau eines der ersten Schlösser in Sachsen. In dieser Zeit begann die Ära der Wohnschlösser. Ihre Bewohner hatten zunehmend den Wunsch, mit intim wirkenden Stuben und großzügigen, gut beleuchteten Sälen ihre Wohnqualität zu steigern. Sie ersetzten die auf Verteidigung ausgerichteten Burgen durch offene Repräsentativbauten. Der Bauherr des Netzschkauer Schlosses Caspar Metzsch besaß am sächsischen Hof großen Einfluss. Das förderte die Finanzierung und die Verwirklichung seines Bauvorhabens. Er konnte vermutlich auf Schüler des Erbauers der Albrechtburg Meißen, Arno von Westpfalen, zurückgreifen. So entstand in einer etwa drei jährigen Bauphase das Langhaus mit Rund- und Viereckturm. Die Familie Metzsch baute jedoch nicht für sich selbst. Ihr Hauptwohnsitz blieb weiterhin die benachbarte Burg Mylau. Sie verkaufte vielmehr das Schloss 1578 an Christoph Reibold.
Um- und Ausbau
Nach kurzem Intermezzo der Reibolds im Schloss erwarb 1616 Hans Ernst Bose das Anwesen sowie das dazugehörige Rittergut. Sein Sohn Carol Bose bestimmte die weitere Gestaltung des Schlosses. In jungen Jahren kämpfte er für den französischen König und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Auf dem Heimweg lernte er seine erste Frau kennen. Er erbte die Herrschaft 1626 und war mit der bisherigen Gestaltung des Schlosses nicht zufrieden.
Das Schloss wurde renoviert, modernisiert und ausgebaut. Innerhalb kurzer Schloss früher Zeit entstanden zwei weitere Flügel.Der danach hufeisenförmige Gebäudekomplex erhielt zudem eine Kapelle. Sie blieb anfangs nur für die Schlossbesitzer vorgesehen. Die Einwohner des 200-Seelen-Ortes mussten weiterhin für den Gottesdienstbesuch den steilen Berg zum Nachbarort überwinden. Kein Wunder, dass trotz des Widerstandes des dortigen Mylauer Pfarrers in Netzschkau eine eigene Kirchgemeinde entstand.
Carol Bose ließ auch die aus der Mode gekommenen Holzdecken des Schlosses durch zahlreiche Stuckverzierungen verschönern. Die Wände erhielten ebenfalls ein verschönertes Äußeres. Boses Macht und politischem Geschick war es wohl zu verdanken, dass auf seinem Netzschkauer Besitz während des Dreißigjährigen Kriegs nicht geplündert und gebrandschatzt wurde. Bose starb 1657 und wurde im Zwickauer Dom bestattet. Nach ihm erbte sein Sohn Carl Gottfried das Schloss, ohne jedoch größere Veränderungen vorzunehmen.
Nach der Familie Boses beherbergte das Schloss einige Zwischenbewohner, bevor es in den Besitz der Herren von Schönburg-Glauchau überging. Diese legten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Schlosspark im englischen Stil an. Nach dem Tod der letzten Gräfin von Schönburg-Glauchau erwarb die Stadt Netzschkau 1944 das Schloss samt Park. Der Kaufpreis betrug 100.000 Reichsmark.
Die schlimmsten Stunden des Schlosses
Bereits zu Zeiten der letzten Gräfin befand sich das Schloss in desolatem Zustand und verfiel zunehmend. 1947 stürzte die Decke des Konzertsaales ein. Dabei wurde der Großteil der wertvollen Stuckarbeiten in Mitleidenschaft gezogen. Sechs Jahre später mussten die von Bose errichteten Nord- und Ostflügel wegen akuter Baufälligkeit abgerissen werden. Die Schlosskapelle existierte zu dieser Zeit schon lange nicht mehr. In den 70er Jahren fiel das Rittergut und 1988 das Schweizerhaus dem Abriss zum Opfer. Ebenso musste der Parkteich einem Spielplatz weichen. Zurück blieb nur der Schlossteil, den Metzsch um 1492 errichtet hatte. Alle äußeren Erweiterungen existieren heute nur noch auf Fotos und Bildern. Der ehrenamtlichen Tätigkeit des „Schlossbauaktivs“ ist es zu verdanken, dass ein kleiner Teil des ursprünglichen Gebäudes den Besuchern offen steht. In Selbstregie führte der Arbeitskreis des Kulturbundes seit 1964 dringende Sicherungs- und Instandsetzungsarbeiten durch. 1990 wurden Fördergelder genehmigt, die eine umfassende bautechnische und äußere Sanierung möglich machten. In der Folge fanden auch Ausgrabungen statt, deren Ergebnisse man im Schloss besichtigen kann. Seit 1998 kümmert sich der Förderverein Schloss Netzschkau e.V. um die denkmalgerechte Nutzung des Schlosses.
Nachdem das Netzschkauer Schloss in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts vernachlässigt wurde, erstrahlte es heute wieder von Neuem. Ausschlaggebend dafür waren die Sanierungen in den späten 90er Jahren, sowie die Tätigkeit des Fördervereins.
Dieser wurde 1998 gegründet und trug durch sein Engagement viel zum heutigen Schlossbild bei. Der Verein organisiert Sonderausstellungen sowie Konzerte, Dia-Vorträge, Lesungen und Tanz-Workshops. In jeder Saison, die von April bis Oktober dauert, können vier bis fünf Sonderausstellungen besichtigt werden. Die Kurt-Geipel- oder die Fredo-Bley-Ausstellung wurden beispielsweise weit über die Region hinaus wahrgenommen. Die Mitglieder legen viel Wert auf Qualität. Die Bedingungen sind im Sommer ideal: Drei unterschiedlich große Räume stehen für öffentliche Events zur Verfügung. Das so genannte Schlosscafé mit seinem Gewölbe, der pompösere Konzertsaal und der rustikale Fechtboden werden dafür genutzt. Das historische Ambiente des Trauzimmers findet bei Hochzeitsgesellschaften großen Anklang.
Der jährlich stattfindende Weihnachtsmarkt ist ebenfalls auf den Schlossplatz umgezogen. Zwischen dem Förderverein und der Netzschkauer Schule besteht bereits seit mehreren Jahren eine Kooperation. In diesem Rahmen wurde der Kurs „Lebendiges Museum“ ins Leben gerufen, in dem den Schülern das Leben zu früheren Zeiten, das Verständnis für die Vergangenheit sowie der Denkmalschutz näher gebracht werden. Neben diesem museumspädagogischen Angebot finden Schatzsuchen oder thematische Veranstaltungen für Kinder statt.
Das Schloss ist von April bis Oktober jeweils sonnabends, sonntags
und an Feiertagen von 13 bis 17 Uhr geöffnet.
(Nach Vereinbarung können auch Führungen außerhalb dieser Öffnungszeit realisiert werden.)
Text: Carsten Steps